Zum Renngraben 8, 50374 Erftstadt

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Lage in Erftstadt
Breitengrad: 50.80666 Längengrad: 6.82144
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Während ich hier spreche, hören irgendwo sicher auch die schuldigen Täter zu. Helmut Schmidt in seiner Fernsehansprache am Abend der Schleyer-Entführung

Nach einer ungefähr 20minütigen Fahrt erreichen die Terroristen mit Hanns Martin Schleyer die Wohnung im Hochhaus Zum Renngraben 8 in Erftstadt-Liblar. Schleyer wird hier ab 06.09.1977 (vor 47 Jahren), ca. 03.00 Uhr, gefangen gehalten. Monika Helbing mietet die 78 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung Nr. 104 im dritten Stock am 21.07.1977[1] unter dem Namen "Annerose Lottmann-Bücklers". Sie gibt dabei an, daß sie Modeschneiderin sei und vorher in Wuppertal in der Bimarckstraße 8 gewohnt habe. Diese Adresse ist zwar existent, dort wohnte aber keine Dame diesen Namens.

Gefangengehalten wird Schleyer u. a. in einem Wandschrank, der mit Schaumgummi schallgedämpft ist, und im 17 m2 großen Schlafzimmer. Er wird gezwungen, per Videoaufnahmen an die Bundesregierung zu appellieren, ihn gegen elf inhaftierte RAF-Mitglieder der ersten Generation auszutauschen. Gefordert wird die Freilassung von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernhard Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller und Günter Sonnenberg.

Die Terroristen fordern in ihren Bekennerschreiben die Ausstrahlung ihrer Erklärungen und Fotos in der Tagesschau. Dem kommt die Bundesregierung nicht nach. Diese Forderung wird von Paris aus versandt.

Mehrere Polizisten aus Erftstadt sind der Überzeugung, daß Schleyer im Haus Zum Renngraben 8 gefangengehalten wird, denn das Appartement erfüllt zahlreiche Kriterien, die für Wohnungen der RAF typisch sind:

  • Das Haus liegt in Autobahnnähe.
  • Das Haus hat eine Tiefgarage.
  • Mehrere Mietzahlungen erfolgten bar im voraus.

Eine Meldung der örtlichen Polizei geht beim zuständigen Krisenstab in Köln ein. Dort wird dieser Meldung aber nicht nachgegangen, weil sie von einem Beamten in eine falsche Ablage gelegt wurde. Das Fernschreiben Nummer 827 hat die Überschrift "betr.: entführung dr. schleyer, hier: mögliche Verbringungsorte". Es geht am 09.09.1977 bei der Polizei in Köln ein.

Dem Hausverwalter fällt die Wohnung erst im November wieder auf, weil sie seit dem 16.09.1977 keinen Stromverbrauch mehr hat.

08.11.1977

Am 08.11.1977 gibt die Polizei Erftstadt einen weiteren Hinweis auf die verdächtige Wohnung 104. Daraufhin wird die Polizei wirklich aktiv: Die GSG 9, Mobile Einsatzkommandos und Spezialeinsatzkommandos observieren das Hochhaus Zum Renngraben 8 rund um die Uhr. So quartieren sich die Polizisten auch in der gegenüberliegenden Wohnung ein, deren Mieter - ein Rentnerehepaar - auf Staatskosten nach Mallorca fliegen. Sie hoffen, daß die ehemaligen Mieter noch einmal zurückkämen. Das geschieht allerdings nicht. Die Miete wird zwar laut Aussage des Wohnungseigentümers weiterhin aus Köln gezahlt. Erst zum 01.02.1978 geht die Wohnungskündigung ein - angeblich aus Australien. Eine Durchsuchung der Wohnung durch die Polizei erfolgt erst am 02.02.1978 (vor 46 Jahren).

die Dreizimmerwohnung wurde von den Terroristen komplett mit Alkohol gereinigt. Lediglich unter dem Bett findet die Polizei einen goldenen Manschettenknopf Schleyers. Kriminaltechniker können die Stelle der Wohnung identifizieren, an der die Videoaufnahmen von Schleyer gemacht wurden.

heute

Im Jahr 2006 kaufte eine Familie namens Schmidko aus dem sibirischen Nowosibirsk die Wohnung für 75.000 Euro und hatte keine Ahnung, welche Geschichte sich dort abspielte. Im August 2016 wohnte die Familie immer noch in der Wohnung.

Fotogalerie

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Einzelnachweise

  1. Andere Quellen sprechen davon, daß die Wohnung bereits am 18.07. angemietet wurde.