Schleyer-Entführung

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Ort
1977 in Köln
Opfer
Hanns Martin Schleyer, Heinz Marcisz, Reinhold Brändle, Helmut Ulmer und Roland Pieler
Bild
Vincenz-statz-str.jpg
Lage
Breitengrad: 50.934675 Längengrad: 6.889568
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Am Montag, 05.09.1977 (vor 47 Jahren) wurde Hanns Martin Schleyer gegen 17.10 Uhr von seinem Fahrer Heinz Marcisz (41) in einem dunklen Mercedes 450 SEL von der Arbeitgeberzentrale am Oberländer Ufer zu seiner in einem Mehrfamilienhaus in der Raschdorffstraße 10 in Köln-Braunsfeld gelegenen Dienstwohnung chauffiert. Die Polizisten Reinhold Brändle (Fahrer, 41), Helmut Ulmer (Beifahrer, 24) und Roland Pieler (im Fond, 20) folgten in einem hellen Mercedes 280 E. Die drei Personenschützer waren bewaffnet, Marcisz und Schleyer nicht.

Das Kommando Siegfried Hausner der RAF hatte eine Telefonkette eingerichtet, die die Annäherung der Fahrzeuge an die vier im Hinterhalt wartenden Schützen meldete. Peter-Jürgen Boock und Sieglinde Hofmann sollten die Polizisten ausschalten, Willy-Peter Stoll war auf Schleyers Fahrer angesetzt und Stefan Wisniewski sollte Hanns Martin Schleyer überwältigen.

Vorgeschichte

Monatelang hatten die Vorbereitungen der RAF für das von ihnen so genannte Kommandounternehmen "Spindy" gedauert. Spindy war RAF-Ironie, denn der Hanns Martin Schleyer war das Gegenteil einer dürren Spindel. Die Terroristen hatten fünf Autos gekauft oder gestohlen und vier Wohnungen gemietet.

02.09.1977

Lage in Köln
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Am Freitag, dem 02.09.1977, beobachtete Uwe Gartiser von seiner Wohnung am Raderthalgürtel in Köln aus einen Alfa Romeo, der ganz in der Nähe neben einer Telefonzelle parkt. Dieses Auto war ihm bereits schon einen Tag vorher aufgefallen, als er an exakt der selben Stelle stand. Er konnte drei junge Frauen beobachten, die sich am oder im Auto befanden und den Verkehr beobachten. Von der Arbeitsstätte Hanns Martin Schleyers am Oberländer Ufer führt der Weg nach Hause über den Raderthalgürtel. Gartiser sah, daß eine der Frauen mit einem Schraubenzieher am Auto hantierte. Zwei der drei Frauen werden in naher Zukunft auf der Fahndungsliste stehen: Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz.

Gartiser wählte den Polizeinotruf um 17.32 Uhr und fragte, wer für Terrorismusbekämpfung zuständig sei. Die Leitstelle der Kölner Polizei schickt den Streifenwagen "Arnold 12/20 zum Einsatzort: "Verdächtige Personen am Kfz, Raderthalgürtel, gegenüber Schwimmbad" Der Polizeibeamte in der Notrufzentrale notierte auf dem Vordruck der Leitstelle: "Verd. Kfz K-XY 847 ... Raderthalgürtel 5 ... Insassen 3 weibl. Personen"

Am Einsatzort angekommen, verlangte einer der Polizisten Führerschein, Fahrzeugschein und die Personalausweise. Eine Fahndungsabfrage des Kennzeichens verlief negativ, was nicht verwundert, denn es handelte sich um ein "Dublettenfahrzeug", bei dem das Nummernschild eines real existierenden Fahrzeugs kopiert und an einem baugleichen Fahrzeug mit gleichem Aussehen angebracht wird. Hätte der Polizist nun die Fahrgestellnummer des Fahrzeugs mit der im Fahrzeugschein verglichen, wäre das "Dublettenfahrzeug" enttarnt gewesen. Bei der anschließenden Abfrage der Personalien der drei Frauen im Fahndungscomputer kommt es zu einem Systemabsturz - oder fehler, so daß kein Ergebnis ermittelt werden kann.

Am Alfa Romeo leckte der Heizungsschlauch. Vermutlich handelte es sich dabei um einen vorgetäuschten Defekt, um den längeren Aufenthalt vor Ort erklären zu können. Als sich die Polizisten den Defekt ansahen, kam ein Mercedes angefahren, deren Insassen sich anscheinend ebenfalls für den defekten Alfa Romeo zu interessieren schienen. Einer der Männer stieg aus und gesellte sich zu den Polizisten und den drei Frauen. Dabei erfuhr er, daß die Polizisten die Frauen zu einer nahen Werkstatt lotsen wollten. Der Mercedes folgte in einigem Abstand bis auf das Gelände der Werkstatt, wo der Heizungsschlauch von einem Mechaniker im Beisein der Polizisten repariert wurde. Im Mercedes saßen übrigens Stefan Wisniewski, Peter-Jürgen Boock, Rolf Heißler und Rolf Clemens Wagner, allesamt Top-Leute der RAF. Peter-Jürgen Boock sagte später dazu: "Unsere Maschinenpistolen waren schußbereit, mein Puls raste."

Die Mitglieder der RAF trafen sich ein paar Stunden später in einer konspirativen Wohnung am Wiener Weg 1b, 50858 Köln.

Wochen später wurde der Wagen in Frankfurt gefunden, in der Nähe einer konspirativen RAF-Wohnung. Das BKA untersuchte das Auto und fand die Fingerabdrücke der Terroristinnen Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz.

Verlauf der Tat

Zunächst bog der Wagen von Hanns Martin Schleyer um ca. 17.28 Uhr von der Friedrich-Schmidt-Straße nach rechts auf die Vincenz-Statz-Straße ab. Die Terroristin Sieglinde Hofmann ging mit einem blauen Kinderwagen auf dem linken Gehweg in Blickrichtung Norden und gab das Signal, als der Pkw von Schleyer um die Ecke bog. Daraufhin fuhr Stefan Wisniewski einen gelben Mercedes 300 D rückwärts aus einer Einfahrt am rechten Fahrbahnrand auf die Fahrbahn der Vincenz-Statz-Straße, so daß der Pkw von Schleyer bremsen mußte. Der ihm folgende Wagen mit den Personenschützern fuhr aufgrund des abrupten Bremsmanövers auf. Nun eröffneten die drei Terroristen Sieglinde Hofmann, Peter-Jürgen Boock und Willy-Peter Stoll von der linken Fahrbahnseite aus das Feuer auf die beiden Fahrzeuge und gaben dabei in ca. 90 Sekunden mindestens 119 Schüsse ab. Die Waffen waren in dem blauen Kinderwagen deponiert. Der Chauffeur Heinz Marcicz und die drei Polizeibeamten Reinhold Braendle, Roland Pieler und Helmut Olmer wurden bei dem Feuergefecht erschossen. Marcicz erlag nach kurzer Zeit seinen schweren Verletzungen.

Nach den auf Marcisz abgegebenen Schüssen rannte Willy-Peter Stoll plötzlich und entgegen jeder Absprache in höchster Erregung quer durch die Schußrichtung von Boock und Hofmann, sprang auf die Motorhaube des Begleitfahrzeugs und verfeuerte die ganze übrige Munition seiner polnischen Maschinenpistole PM-63 (Kaliber 9 mm Makarow) durch die Frontscheibe ins Wageninnere. Der Fahrer Reinhold Brändle wurde sechzigmal in allen Körperbereichen getroffen und starb kurz darauf. Roland Pieler gelang es noch, den Fond des Fahrzeugs zu verlassen und mit seiner Dienstpistole dreimal zurückzuschießen, er traf jedoch nicht. Helmut Ulmer schoß aus der geöffneten Beifahrertür achtmal mit seiner Maschinenpistole, traf aber ebenfalls nicht. Pieler und Ulmer wurden je mindestens dreimal tödlich getroffen.

Peter-Jürgen Boock fuhr anschließend einen auf der Friedrich-Schmitt-Straße in Fahrtrichtung stadtauswärts hinter der Vincenz-Statz-Straße abgestellten weißen VW-Bus zum Tatort, die Terroristen brachten Schleyer in den Bus und fuhren über die Friedrich-Schmitt-Straße stadtauswärts in unbekannte Richtung davon.

Im Nachhinein stellt sich heraus, daß sie zum Wiener Weg 1b, 50858 Köln fuhren, Schleyer dort in ein in der Tiefgarage abgestelltes Fahrzeug umladen, den Fluchtwagen dort zurücklassen und dann zum Haus Zum Renngraben 8, 50374 Erftstadt fahren, wo sie Schleyer zunächst gefangen halten.

Im weiteren Verlauf der Entführung führte die Route der Verstecke noch zu folgenden Anschriften:

Seine Leiche wurde letzten Endes in einem Audi 100 in der Rue Charles Péguy in Mülhausen gefunden.

Denis Payot

Der Genfer Anwalt Denis Payot wurde von der RAF als Vermittler eingeschaltet. Sie glaubten, er wäre "Generalsekretär der Internationalen Föderation für Menschenrechte" bei den Vereinten Nationen, was aber nicht stimmte. Er war lediglich Präsident des privaten Vereins "Schweizerische Liga für Menschenrechte". Payot wurde vom BKA engagiert. Und schon kurze Zeit später gab es eine Telefonüberwachung, bei der alle Ferngespräche aus dem Raum Köln in die Schweiz erfaßt wurden. Sobald die Telefonnummer Payots gewählt wurde, blinkte eine Lampe und das Gespräch wurde nicht nur mitgehört und aufgezeichnet, sondern es wurde auch verfolgt, von wo der Anruf kam. Und kurze Zeit später fuhren Polizisten zum Ort des Anrufs. Die Polizei war nahe dran und die Entführer der RAF hatten mehrfach großes Glück. So blieb ein Einsatzkommando der Polizei einmal im Feierabendverkehr stecken, ein zweiter Versuch wurde durch eine Horde betrunkener Fußballfans von Borussia Dortmund behindert. In einem dritten Fall sind die Polizisten sehr schnell am Kölner Hauptbahnhof, finden aber nur eine leere Telefonzelle vor. Silke Maier-Witt, eine RAF-Frau aus der zweiten Reihe, erkannte die Falle letzten Endes, als sie eine Männerstimme sagen hört "Da ist eine Frau", noch bevor ihr anruf von der Sekretärin zu Payot durchgestellt wird. Daraufhin sagte sie "Polizei hört mit, ich leg jetzt auf!" und verschwand im nächsten Schnellzug.

Fotogalerie

Stationen der Schleyer-Entführung

Anschrift Ort Land was von bis
Vincenz-Statz-Straße Köln Deutschland Schleyer-Entführung 05.09.
Wiener Weg 1b Köln Deutschland Fahrzeugwechsel 05.09.
Zum Renngraben 8 Erftstadt Deutschland Versteck 05.09. 16.09.
Stevinstraat 266 Den Haag Niederlande Versteck 16.09. 20.09.
Duivenschieting 5 Sint-Pieters-Woluwe Belgien Versteck 21.09. 18.10.
Rue Charles Péguy Mülhausen Frankreich Fundort der Leiche 19.10.

siehe auch

Links