Geiselnahme von München: Unterschied zwischen den Versionen

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Mitglieder der palästinischen Terrororganisation "Schwarzer September" drangen am frühen Morgen des 05.09.1972 in das Quartier der israelischen Sportler im olympischen Dorf [[München]] ein (Anschrift: [[Connollystraße 31]]). Zwei Israelis wurden sofort erschossen, weitere neun wurden als Geiseln genommen. Dadurch sollten 232 palästinische Gefangene in Israel freigepresst werden.
 
Mitglieder der palästinischen Terrororganisation "Schwarzer September" drangen am frühen Morgen des 05.09.1972 in das Quartier der israelischen Sportler im olympischen Dorf [[München]] ein (Anschrift: [[Connollystraße 31]]). Zwei Israelis wurden sofort erschossen, weitere neun wurden als Geiseln genommen. Dadurch sollten 232 palästinische Gefangene in Israel freigepresst werden.

Version vom 24. März 2016, 13:48 Uhr

Ort
1972 in München
Opfer
Bild
Connollystr31.jpg
Lage
Breitengrad: 48.179793 Längengrad: 11.548788
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Mitglieder der palästinischen Terrororganisation "Schwarzer September" drangen am frühen Morgen des 05.09.1972 in das Quartier der israelischen Sportler im olympischen Dorf München ein (Anschrift: Connollystraße 31). Zwei Israelis wurden sofort erschossen, weitere neun wurden als Geiseln genommen. Dadurch sollten 232 palästinische Gefangene in Israel freigepresst werden.

Die Polizei war mit der Geiselnahme überfordert und schlecht auf eine solche Situation vorbereitet. Anti-Terroreinheiten gab es damals noch nicht. Streifenpolizisten in Trainingskleidung turnten auf den Dächern des olympischen Dorfes herum und bereiteten sich auf eine Stürmung vor. Das pikante Detail dabei: Diese Vorbereitungen wurden von den Medien verfolgt und übertragen, so daß die Fernsehzuschauer das Geschehen im Fernsehen live verfolgen konnten – dazu gehörten auch die Terroristen.

Die New York Times berichtete Jahre später darüber, daß die Terroristen einen der Sportler, der am Anfang der Geiselnahme angeschossen wurde und dann stundenlang qualvoll ausblutete, die Genitalien abschnitten und ihn mißbrauchten, während die anderen Geiseln offenbar zusehen mußten. Auch die anderen israelischen Sportler sollen offenbar vor ihrem Tod schwer mißhandelt worden sein, denn sie wiesen Knochenbrüche und andere Spuren von Gewalteinwirkung auf.

Ablauf der Vorbereitungen

Lage in München
Stadtteil: {{{stadtteil}}} [[Kategorie:München-{{{stadtteil}}}]]
Breitengrad: 48.141719 Längengrad: 11.559351
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Uhrzeit
02.00 Uhr Im "Hotel Eden" am Münchner Hauptbahnhof (Anschrift: Arnulfstraße 4,80335 München) treffen sich neun Palästinenser. Sechs von ihnen waren in den vorangegangenen Tagen aus Syrien und dem Libanon nach München eingereist. Zwei weitere, die sich "Issa" und "Tony" nennen, sind bereits seit Wochen in München. Die acht tragen Trainingsanzüge. Der neunte Mann ist älter und trägt zivil, er ist der Kontaktmann zur Terrororganisation "Schwarzer September".
02.30 Uhr Im "Hotel Eden" gibt Issa an Tony und die sechs Männer Waffen aus. Jeder bekommt eine Kalaschnikow mit zwei Magazinen und eine Handgranate. Sie umwickeln die Maschinenpistolen mit Kleidungsstücken und legen sie in Sporttaschen. Ihre gefälschten Pässe übergeben sie Abu Daoud, der sie vernichtet und untertaucht.
03.15 Uhr Am Hauptbahnhof nimmt die erste Gruppe von drei Palästinensern ein Taxi. Die übrigen fünf Männer folgen mit weiteren Taxis.

Ablauf im olympischen Dorf

Uhrzeit
02.15 Uhr Die Nachtschicht des Ordnungsdienstes vermerkt im Diensttagebuch: "Keine besonderen Vorkommnisse"
04.20 Uhr Ungehindert können acht Terroristen den zwei Meter hohen Zaun am Westrand des olympischen Dorfes (Tor 25a) überklettern. Sie tragen Trainingsanzüge, jeder hat eine Sporttasche bei sich. Darin befinden sich Kalaschnikows, Handgranaten, zivile Kleidung und Geld. Einigen Beamten des Olympia-Postamtes, die auf dem Weg zur Frühschicht sind, fällt das auf. Sie denken sich jedoch nichts dabei.
04.30 Uhr Vom Revier des Ordnerdienstes beginnt Kriminalobermeisterin Gertrud L. eine Fußstreife durch das olympische Dorf. Die 36jährige Beamtin, abgeordnet zum zivilen Ordnerdienst der Olympischen Spiele, ist seit 23 Uhr im Dienst.
04.40 Uhr Im Treppenhaus des Hauses Connollystraße 31 haben die Terroristen ihre Trainingsanzüge gegen zivile Kleidung ausgetauscht und ihre Waffen geladen. Issa und ein weiterer Terrorist gehen zunächst in den zweiten Stock. Doch dort schlafen Sportler aus Hongkong und Korea. Issa fürchtet, die israelische Mannschaft könnte kurzfristig verlegt worden sein, und steht kurz davor, den Überfall abzublasen. Erst beim Weg zurück auf die Straße unter der Fußgänger-Ebene fallen ihm jüdisch klingende Namen an einer Wohnung auf. Die Tür ist nur mit dem Schnapper gesichert, aber nicht abgeschlossen.
04.45 Uhr Das palästinensische Kommando stürmt das Quartier der israelischen Mannschaft in der Connollystraße 31. Der 30jährige Trainer der israelischen Gewichtheber, Tuvia Sokolsky, schreckt auf. Durch die halb offene Tür seines Zimmers sieht er, daß sich sein Kollege Joseph Gutfreund gegen die Wohnungstür stemmt. Sokolsky greift sich eine Hose, reißt die Terrassentür auf und rennt aus dem Haus. Hinter sich hört er eine Salve aus einer Maschinenpistole. Issa schießt durch den Türspalt ins israelische Quartier. In der anschließenden Schrecksekunde können zwei weitere Palästinenser die Tür aufdrücken. Einer schießt den Ringer-Trainer Moshe Weinberg nieder, die übrigen Israelis geben ihren Widerstand auf. Insgesamt können zwei Sportler flüchten und zwei werden erschossen. Nach wenigen Minuten haben die Terroristen neun Geiseln in ihrer Gewalt.
04.48 Uhr Auf der Connollystraße wartet seit 20 Minuten Raoul L. vor dem Quartier der Bahamas. Der Wehrpflichtige ist als Mannschaftsfahrer eingeteilt und soll mehrere Sportler zum Flughafen bringen. Plötzlich läuft ihm ein verängstigter Mann in die Arme, der in gebrochenem Deutsch stammelt: "Schießen, schießen, mein Freund tot! Polizei rufen!"
04.52 Uhr In der Connollystraße 31 führen die drei Geiseln aus der zuerst gestürmten Wohnung die Terroristen durch das Treppenhaus zum Quartier der israelischen Kraftsportler. Die Palästinenser öffnen die Tür und bedrohen die Sportler, doch der Gewichtheber Joseph Romano wehrt sich. Wieder schießt ein Terrorist und trifft Romano.

Raoul L. gelingt es im Quartier der koreanischen Mannschaft einen Betreuer aus dem Schlaf zu klingeln, der ihn mit der Polizei telefonieren läßt. Der junge Bundeswehrsoldat meldet den Überfall. Als wieder Schüsse knallen, schließt sich Tuvia Sokolsky aus Angst in der Toilette ein.

04.56 Uhr Der 28jährige israelische Ringer Gad Tsobari wird von den Terroristen zusammen mit anderen Geiseln das Treppenhaus hinuntergeführt. Er kann sich losreißen und flüchten.
05.03 Uhr Ein Kriminalobermeister nähert sich mit gezogener Pistole der Haustür des israelischen Quartiers. Als er den Kopf in den Flur hineinsteckt, schreit ihn ein mit einer Maschinenpistole bewaffneter Terrorist an: "Weg da!"
05.06 Uhr Vom Polizeipräsidium aus werden alle verfügbaren Funkstreifen zum olympischen Dorf geschickt.
05.08 Uhr Vor dem Haus Connollystraße 31 hört Gertrud L. eine weitere Salve aus einer Maschinenpistole.
05.12 Uhr Der diensthabende Beamte in der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums gibt die Anweisung, Polizeipräsident Manfred Schreiber und seinen Vize Georg Wolf zu alarmieren. Schreiber geht ans Telefon, Wolf ist nicht zu erreichen.
05.22 Uhr Vor der Connollystraße 31 übergibt Issa, der einen beigen Anzug und einen Stoffhut trägt, Gertrud L. vier mit Schreibmaschine beschriebene Seiten. Die Polizistin ist die einzige, die sich dem Eingang des Hauses nähern darf. Sie unterhält sich auf deutsch mit Issa.
05.25 Uhr Per Funk wird der Inhalt des vierseitigen Communiqués durchgegeben: Bis 09.00 Uhr sollen mehr als 200 Personen aus israelischer Haft freigelassen werden, die auf einer Liste stehen. Darauf finden sich auch die Namen weiterer Terroristen, darunter Andreas Baader und Ulrike Meinhof.
05.29 Uhr Issa teilt Gertrud L. mit, man brauche einen Notarzt. Man werde einen Verletzten vor die Tür bringen.
05.35 Uhr Der Notarzt kann nur noch den Tod von Moshe Weinberg feststellen. Zwei Polizisten bergen den Leichnam.

Zur gleichen Zeit informiert der Schichtleiter der Olympia-Wache das bayerische Innenministerium über die Ereignisse im olympischen Dorf. Minister Bruno Merk (CSU) soll so schnell wie möglich unterrichtet werden.

05.40 Uhr Vorsichtshalber ordnet der diensthabende Schichtleiter an, Gewehre für Scharfschützen zu beschaffen. Die Münchner Polizei verfügt über Sturmgewehre des Typs G3 mit Zielfernrohren. Zur gleichen Zeit trifft Manfred Schreiber im olympischen Dorf ein.
05.45 Uhr Ein Beamter der Olympia-Wache vermerkt im Diensttagebuch, daß Walther Tröger informiert worden sei. Als Bürgermeister des olympischen Dorfes ist er für alle Belange im Quartier der 12.000 Olympia-Teilnehmer zuständig.
05.57 Uhr Polizeipräsident Manfred Schreiber hat einen Krisenstab in der Olympia-Wache gebildet. Zuerst wird die Lage festgehalten: "Nach gegenwärtigem Stand hält ein Palästinenserkommando mindestens 26 israelische Sportler in seiner Gewalt und fordert die Freilassung von 200 Personen auf einer Liste bis 12 Uhr". Die Verlängerung des Ultimatums haben die Terroristen von vornherein beabsichtigt: Sie haben eine zweite Fassung ihres Communiqués dabei, in der statt von 09.00 Uhr von 12.00 Uhr als Frist die Rede ist.
06.00 Uhr Vor dem Haus Connollystraße 31 kommen Issa und Gertrud L. ins Gespräch. Die Polizistin fragt den Anführer der Terroristen, warum er die israelischen Sportler angreife. Issa antwortet sinngemäß: "Revolution muß dort gemacht werden, wo sie nötig ist!"

Zur gleichen Zeit informiert ein Bewohner des Hauses Connollystraße 24, das genau gegenüber des Tatortes liegt und in dem sich die DDR-Mannschaftswohnungen befinden, drei DDR-Sportjournalisten, daß "bewaffnete Kräfte nachts in das olympische Dorf eingedrungen sind und das Haus der israelischen Mannschaft besetzt haben. Es gab Schießereien, und es soll Tote gegeben haben."

06.10 Uhr In Bonn verlangt der Lagedienst des Bundesinnenministeriums einen Bericht.
06.25 Uhr Das Bundesinnenministerium informiert den Sicherheitsbeauftragten der israelischen Botschaft.
06.26 Uhr Bruno Merk kommt im olympischen Dorf an und übernimmt die Leitung des Einsatzes.
06.30 Uhr Drei als gute Schützen bekannte Beamte der Münchner Stadtpolizei bekommen im Polizeipräsidium den Befehl, ins olympische Dorf zu fahren.

Im olympischen Dorf kommen die drei DDR-Sportjournalisten Martin Kramer, Dieter Wales und Wolfgang Gitter an. Alles macht einen ruhigen Eindruck, besondere Absperrungen sind nicht erkennbar. Sie halten ihre Erlebnisse minutiös in einem Bericht fest, der an die Stasi geht.

06.37 Uhr Ein Nachrichtenredakteur des Bayerischen Rundfunks fragt bei der Olympia-Wache an, was im olympischen Dorf passiert sei. Nach Rücksprache teilt der diensthabende Beamte mit, der Polizeipräsident habe eine Nachrichtensperre verhängt.
06.46 Uhr Willy Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, trifft ein.
06.58 Uhr Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, der in München übernachtet hatte, trifft am Tor 10 des olympischen Dorfes ein.
07.00 Uhr Im bayrischen Rundfunk gibt es die erste Meldung über den Vorfall: Im olympischen Dorf sei auf israelische Sportler geschossen worden. Die Polizei habe eine Nachrichtensperre verhängt.
07.10 Uhr Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, der US-Amerikaner Avery Brundage, knapp 85 Jahre alt, trifft im Krisenstab ein.
07.30 Uhr Telefonisch informiert Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher Bundeskanzler Willy Brandt. Dieser beruft sofort für 11.30 Uhr eine Kabinettsondersitzung ein und beschließt, statt zu den Segel-Wettbewerben nach Kiel nun nach München zu fliegen.
07.45 Uhr Problemlos gelangen die DDR-Sportjournalisten Dieter Wales und Wolfgang Gitter in die unmittelbare Nähe des besetzten Hauses. Ein Polizist sagt ihnen: "Sie wollen zu Ihrer Mannschaft? Na, gehen Sie nur!"
07.50 Uhr Die 42jährige Kriminalhauptmeisterin Anneliese Graes aus Essen übernimmt von ihrer Kollegin Gertrud L. die Funktion als Kontaktperson zu den Geiselnehmern. Ihr fällt auf, daß der Terroristen-Anführer sehr gut deutsch spricht, allerdings mit deutlichem französischem Akzent. Oft sagt er "Oh la la …"
08.00 Uhr Polizeivizepräsident Georg Wolf trifft im olympischen Dorf ein. Der Chef der Münchner Schutzpolizei hat eigentlich dienstfrei, ist aber, als er um 07.30 Uhr im Radio von dem Anschlag gehört hat, sofort aufgebrochen.
08.15 Uhr Wolfgang Gitter betritt das Zimmer des DDR-Verbandstrainers Harry Roewer in der Connollystraße 24 genau gegenüber der von den Terroristen besetzten Wohnung. Die Entfernung beträgt etwa 15 Meter. Gitter kann neben dem Anführer Issa fünf weitere bewaffnete Terroristen genau erkennen und sieht sogar das Goldkettchen, das Tony um den Hals trägt.
08.29 Uhr Polizeipräsident Schreiber entscheidet, die Arbeit aufzuteilen: Mit Merk, Genscher, Tröger und einigen Mitarbeitern bildet er einen politischen Krisenstab. Seinem Stellvertreter Georg Wolf überträgt er die Koordination des Polizeieinsatzes, dafür wird ein Einsatzstab gebildet.
08.35 Uhr Zum ersten Mal kommen Merk, Schreiber und Tröger zum Tatort, um direkt mit Issa zu sprechen. Sie warten in einigen Metern Abstand, dann geht Anneliese Graes vor und klopft. Issa kommt herunter. Das Gespräch dauert fünf Minuten.
08.55 Uhr Ahmed E. Touny, für Ägypten Mitglied im IOC, spricht mit Issa. Er versucht, mehr Zeit als die bisher zugestandene erste Verlängerung des Ultimatums bis 12.00 Uhr herauszuholen, scheitert damit aber.
09.00 Uhr Vor überwiegend gefüllten Rängen beginnt im Olympiastadion der elfte Tag der Olympischen Sommerspiele 1972. Viele Stadionbesucher haben auf der Anfahrt von den Ereignissen nichts mitbekommen.
09.15 Uhr Ein Gerücht kursiert: Drei bewaffnete Täter wollen ausbrechen. Bei den nur mit Dienstpistolen oder gar nicht bewaffneten Polizisten und Ordnern rund um das Haus Connollystraße 31 kommt Nervosität auf. Woher das Gerücht stammt, ist unklar.
09.20 Uhr Wieder sprechen die Mitglieder des politischen Krisenstabes mit Issa. Der Anführer der Terroristen überreicht ein drittes vorbereitetes Communiqué.
09.45 Uhr Dem DDR-Sportjournalisten Dieter Wales fällt auf, daß der Zugang des israelischen Quartiers auf der Straßenebene von einem Mann mit Kalaschnikow bewacht wird. Damit ist klar, daß mindestens sieben Terroristen an der Geiselnahme beteiligt sind.

Zeitgleich telefoniert Willy Brandt von Bonn aus mit verschiedenen internationalen Spitzenpolitikern, um Möglichkeiten auszuloten, wie auswärtige Mächte in der Lage helfen können.

09.54 Uhr Der Polizeieinsatzstab erfährt, daß über eine Befreiungsaktion israelischer Spezialkräfte gemunkelt wird. Vizepräsident Georg Wolf wiegelt ab: "Dabei dürfte es sich um ein Gerücht handeln." Sein Vorgesetzter Manfred Schreiber ist sich nicht so sicher: Vielleicht werde es dazu tatsächlich kommen. Im Verlauf des Tages kursiert das Gerücht noch mehrfach.
10.26 Uhr Angeblich soll es sich um 21 Terroristen handeln, die 26 Geiseln gefangen halten, schreibt ein Mitarbeiter des Krisenstabes. Die Quelle dieser Angaben soll Anneliese Graes sein. Die erfahrene Beamtin aber hat in Wirklichkeit nur mitgeteilt, daß Issa ihr gegenüber von "20 Kameraden" spricht, sie ihm aber nicht glaubt. Issa behauptet auch, daß Tony sein Bruder sei und er selbst Olympiasieger. Offenkundig will er Verwirrung stiften.
10.30 Uhr Zwei Mitarbeiter der Bauleitung erklären dem Einsatzstab die Räumlichkeiten im Haus Connollystraße 31. Das Gebäude, errichtet aus vorproduzierten Betonplatten, ist für die Terroristen leicht zu verteidigen: Die Außenwände der Wohnung sind alle massiv, lediglich Türen und Fenster können eingeschlagen oder gesprengt werden.

Gleichzeitig teilt die Leitung der israelischen Mannschaft mit, daß zehn Sportler und Betreuer vermißt werden und nicht 26. Über die Zahl der Terroristen herrscht Unklarheit.

10.54 Uhr Israels Botschafter Eliashiv Ben-Horin ist mit einer Bundeswehrmaschine in Fürstenfeldbruck gelandet. Dort wartet ein Hubschrauber, der den Diplomaten sofort zum Krisenstab bringt. Ben-Horin bekommt einen eigenen Raum mit Standleitung nach Israel.
11.00 Uhr Das israelische Kabinett unter Premierministerin Golda Meir tritt in Jerusalem zusammen. Auf gar keinen Fall soll nachgegeben werden. Ben-Horin wird beauftragt, den Krisenstab in München zu unterrichten und Golda Meir telefoniert mit Willy Brandt.

Gleichzeitit spricht Maria S., Kriminaloberkommissarin und Schichtleiterin des Ordnungsdienstes, vor dem Haus Connollystraße 31 mit Issa. Sie fragt ihn: "Warum muß sich diese Tat ausgerechnet bei der Olympiade ereignen?" Issa antwortet auf deutsch: "Es ist ein Akt der Rache, denn die Araber wurden im Jahr 1948 von den Israelis verjagt. Es ist schlimm für Menschen, keine Heimat zu haben." Die Beamtin fragt zurück: "Warum gerade München?" Daraufhin erklärt der Terrorist: "Hier, wo die Welt zusammengekommen ist, müssen wir aufmerksam machen auf das Leid der Araber."

11.09 Uhr Im Auftrag von Vizepräsident Georg Wolf ersuchen mehrere Polizisten die wichtigsten Fernsehsender, keine Live-Aufnahmen vom olympischen Dorf zu zeigen. Doch inzwischen sind schon so viele Kamerateams rund um die Connollystraße 31 im Einsatz, daß die Nachrichtensperre nicht mehr durchgesetzt werden kann. Der US-Sender ABC hat ein Superteleobjektiv vom 291 Meter hohen Olympiaturm auf das Dach des besetzten Hauses gerichtet. Der ABC-Reporter John Wilcox schickt aus den Zimmern des burmesischen Fußballteams fast genau gegenüber der Connollystraße 31 Bilder an seinen Sender, sein britischer Kollege Gerald Seymour dreht für den Nachrichtensender ITV von einem etwas weiter entfernt stehenden Haus. Sogar Dan Shilon vom israelischen Fernsehen richtet seine Kamera auf das besetzte Haus.
11.15 Uhr Ben-Horin erklärt Merk und Genscher im Krisenstab, daß die Regierung Israels auf die Entscheidungen der deutschen Behörden vertraue. Es handele sich um einen Kabinettsbeschluß.

Im Pressezentrum gibt Manfred Schreiber vor Journalisten eine Erklärung ab. Er berichtet über den Anschlag, das erste Todesopfer Moshe Weinberg und stellt fest, daß weder der Vorschlag, "Geldmittel in unbegrenzter Höhe" bereitzustellen, noch das Angebot deutscher Ersatzgeiseln die Terroristen bewegen konnte, die israelischen Sportler und Betreuer freizugeben.

Im Polizeieinsatzstab schlägt IOC-Präsident Avery Brundage vor, Täter und Geiseln durch ein schnell wirkendes Betäubungsgas außer Gefecht zu setzen. Doch die Chemie-Experten der Münchner Polizei erklären, daß es solche Mittel nur im Kino gibt, aber nicht in Wirklichkeit.

Walther Tröger kommt erneut mit Ägyptens IOC-Mitglied Touny zum besetzten Haus Connollystraße 31. Die DDR-Sportjournalisten halten in ihrem Bericht für die Stasi fest: "Es scheint eine Einigung über die Verlängerung des Ultimatums zu geben."

11.20 Uhr Die Einsatzleitung beschließt, daß Präzisionsschützen eingesetzt werden sollen. Ihr Auftrag lautet, die "Täter auszuschalten und Feuerschutz für vorgehende Kräfte zu gewährleisten". Wolf legt Rufzeichen für die Scharfschützen fest: Die Vorwarnung soll mit der Durchsage "Sonne bricht durch" erfolgen, der Einsatzbefehl lautet "Sonnenstrahl".
11.30 Uhr Willy Brandt erteilt Innenminister Hans-Dietrich Genscher mit Zustimmung des Kabinetts die Vollmacht, "im Zusammenwirken mit der Bayerischen Landesregierung die notwendigen Bemühungen für eine Rettung der Geiseln" einzuleiten.

Auf dem Marienplatz in der Münchner Innenstadt hat sich eine Spontandemonstration gebildet, die zum olympischen Dorf ziehen will, um gegen die Geiselnahme zu protestieren.

11.31 Uhr Polizisten auf Beobachtungsstation des Hauses Connollystraße 24 melden, daß die Terroristen dauernd ihre Hemden und Masken wechseln. Die Täter kommen danach zu den Fenstern und lassen sich sehen. Die Beamten vermuten, daß so der Eindruck erweckt werden soll, es handele sich um mehr Täter. Gesichert ist zu dieser Zeit eine Mindestanzahl von vier Tätern, doch die Einsatzleitung geht von fünf Terroristen aus.
11.40 Uhr Conrad Ahlers, der Sprecher der Bundesregierung, äußert sich im Fernsehen. Seine Ausführungen werden so verstanden, daß allein das Land Bayern für die Bewältigung der Krise verantwortlich sei – dabei stellt Ahlers lediglich klar, wie die Zuständigkeiten in der Bundesrepublik verteilt sind.
11.42 Uhr Die Einsatzleitung beschließt, daß 36 Mann beim Sturm eingesetzt werden sollen, darunter die meisten Sonderfahnder der Münchner Polizei, die eine spezielle Ausbildung für Festnahmen haben. Den Sturm auf ein besetztes Gebäude aber hat keiner von ihnen jemals trainiert.
11.58 Uhr Das Ultimatum wird zunächst um eine Stunde bis 13.00 Uhr verlängert.
12.19 Uhr Polizeivizepräsident Georg Wolf geht davon aus, kurz vor 13.00 Uhr den Befehl zum Sturm erteilen zu müssen.
12.25 Uhr Mehrere Panzerwagen sind auf dem Weg ins olympische Dorf. Sie können aber wegen der Bauweise der Anlage nicht bis an die Connollystraße heranfahren und sind weitgehend nutzlos.
12.30 Uhr Auf Vermittlung von Anneliese Graes kann Issa mit einer Nummer in Tunis telefonieren. Der BND schneidet das Gespräch mit, doch offenbar erreicht der Anführer der Terroristen die gewünschte Person nicht. Jedenfalls kommt kein inhaltliches Gespräch zustande.
12.41 Uhr Merk, Genscher und Schreiber erfahren von dem Telefonat mit Tunis. Die Sorge wächst, daß um 13.00 Uhr mit dem Ablauf des verlängerten Ultimatums erneut geschossen und gemordet werden könnte.
12.57 Uhr Issa teilt Anneliese Graes mit, daß das Ultimatum bis 15 Uhr verlängert werde.
13.10 Uhr Regierungssprecher Conrad Ahlers begründet im Fernsehen, warum die Wettkämpfe trotz der Geiselnahme weitergehen: Es handele sich um eine Entscheidung des IOC, nicht der Bundesregierung.
13.14 Uhr Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärt der Einsatzleitung, daß die Namen der Präzisionsschützen auf keinem Schriftstück auftauchen dürfen, wenn man vor der Öffentlichkeit geheim halten will, um wen es sich handelt.
13.25 Uhr Issa verlangt Verpflegung für 20 Personen. Der Krisenstab beschließt, daß zwei als Köche verkleidete Polizisten so viele Kisten vor die Tür stellen sollen, daß die beiden Beamten zum Hinauftragen in die Wohnung benötigt werden. Man hofft, so einen Einblick in die Lage der Geiseln zu bekommen.
13.30 Uhr Willy Brandt startet von Bonn aus nach München. Er will in der Nähe sein, jedoch nicht beim Krisenstab selbst, in dem Genscher Vertreter der Bundesregierung bleibt.
13.43 Uhr Vizepräsident Georg Wolf erläßt ein allgemeines Schießverbot, außer in Fällen eindeutiger Notwehr etwa bei einem überraschenden Ausbruchsversuch.
13.56 Uhr Die Terroristen werden unruhig, meldet Anneliese Graes, weil das Essen immer noch nicht da ist.
14.04 Uhr Immer mehr Schaulustige strömen an die Absperrungen. Zusätzliche Sicherheitskräfte sind nötig.
14.17 Uhr Schreiber und Tröger sprechen mit Issa, während zwei verkleidete Polizisten fünf Kisten mit Verpflegung vor die Haustür stellen. Issa trägt jede Kiste einzeln hoch in die besetzte Wohnung. Als Issa wieder herauskommt, ruft ihm Schreiber zu: "Sie bleiben bei drei Uhr?" Der Terroristenanführer bestätigt: "Ja, ich bleibe dabei!"
14.25 Uhr Die US-Militärpolizei hat der Münchner Polizei zusätzliche schußsichere Westen zur Verfügung gestellt. Sie werden an Mitglieder des Sturmtrupps ausgegeben.
14.40 Uhr Die DDR-Beobachter im Haus Connollystraße 24 halten in ihrem Protokoll fest: "Die Freischärler bieten ein Bild der Ruhe und Selbstsicherheit. Im ersten Stock lehnt einer der Posten aus dem Fenster und beobachtet die Straße, als ob er sich sonnt, dazu raucht er ununterbrochen."
14.45 Uhr Wieder sprechen Manfred Schreiber und Walther Tröger vor dem Haus mit Issa. Nach mehreren Minuten Diskussion stimmt der Terroristen-Chef zu, das Ultimatum bis 17.00 Uhr zu verlängern. Die rund um das Haus postierten Polizisten werden angefunkt: "Keinerlei Aktionen vornehmen, Schreiber verhandelt gerade!"
14.49 Uhr Erneut verlangen die Politiker und Sicherheitsexperten im Lagezentrum, daß die Liveübertragungen aller TV-Sender aus dem olympischen Dorf aufhören. Doch es gibt keine zentrale Kontrollstelle, die angewiesen werden könnte, die Nachrichtensperre durchzusetzen.
14.55 Uhr Über Funk hören Beamte des Sturmkommandos, daß das Ultimatum bis 17.00 Uhr verlängert worden sei.
15.00 Uhr Willy Brandt trifft in der zeitweiligen Außenstelle des Kanzleramtes während der Olympischen Spiele ein, der Villa Waldberta am Starnberger See. Von hier aus versucht er, per Telefon politische Unterstützung für den Krisenstab im olympischen Dorf zu organisieren.
15.20 Uhr Israels Geheimdienstchef Tzwi Zamir und der Anti-Terror-Experte Victor Cohen sind angekommen. Zamir spricht mit Genscher und Merk.
15.38 Uhr Im Büro des IOC willigt Avery Brundage ein, die Wettkämpfe zu unterbrechen. Zugleich fordert er, die Bundesregierung dürfe keinesfalls den Terroristen gestatten, zusammen mit den israelischen Geiseln Deutschland zu verlassen.
15.45 Uhr Der Stadionsprecher des Olympiastadions gibt bekannt, daß die Spiele bis zur Klärung der Lage im olympischen Dorf unterbrochen werden. Nur die noch laufenden Wettbewerbe sollen zu Ende geführt werden.
15.53 Uhr Etwa 500 pro-israelische Demonstranten nähern sich dem olympischen Dorf. Sie skandieren: "Helft, helft, helft den Israelis!"
16.00 Uhr Das Olympiastadion leert sich, viele Besucher strömen in Richtung olympisches Dorf. Mindestens 100.000 Schaulustige drängen sich rund um den Zaun.
16.15 Uhr Tony, der Terrorist am Fenster des Treppenhauses, lacht die DDR-Beobachter im Haus gegenüber an, hebt die Fäuste und spreizt die Finger seiner rechten Hand zum Victory-Zeichen.
16.32 Uhr Bereitschaftspolizisten beginnen, die Fußgängerwege westlich der Connollystraße zu räumen. Die Anweisung kommt vom Polizeiführungsstab, weil die Schaulustigen dort im Schußfeld stehen, falls die besetzte Wohnung gestürmt wird.
16.35 Uhr An alle Beamten ergeht die Mitteilung: "Sonne bricht langsam durch."

Zeitgleich verhandeln Genscher, Merk und Tröger vor der Connollystraße 31 wieder mit Issa.

16.40 Uhr Die nähere Umgebung ist geräumt. Krankenwagen stehen im Basement bereit, die Fahrtstrecke zum Schwabinger Krankenhaus kann jederzeit gesperrt und geräumt werden. Die DDR-Beobachter registrieren, daß in Trainingsanzüge gekleidete Beamte mit Maschinenpistolen und schußsicheren Westen sich über das Dach des besetzten Hauses schleichen. Fernsehzuschauer weltweit sehen diese Bilder ebenfalls.
16.41 Uhr, Polizeieinsatzstab Vizepräsident Wolf ordnet an, daß die Durchsage "Sonne bricht langsam durch" sofort gestoppt wird. Es darf nichts unternommen werden.
16.45 Uhr Die Beamten des Sturmtrupps bekommen die Weisung "Aktion abgebrochen. Zurück in Ausgangspositionen."
16.47 Uhr Die Panzerwagen sollen sich bereithalten. Der Sturmtrupp darf noch nicht vom Haus Connollystraße abrücken.
16.50 Uhr Die DDR-Beobachter im Haus Connollystraße 24 haben den Eindruck, daß die Verhandlungen scheitern. Genscher ist offenbar verärgert, er geht zurück, um Abstand zwischen Issa und sich zu bringen. Tröger und Merk diskutieren weiter. Issa fordert nun, mit einem Düsenjet Richtung östliches Mittelmeer fliegen zu dürfen. Sobald die israelische Regierung die freigepreßten Gefangenen dorthin bringe, würden die Geiseln freigelassen.
16.58 Uhr Nacheinander erscheinen drei israelische Geiseln am Fenster im ersten Stock des Hauses Connollystraße 31. Genscher fragt, ob sie bereit seien, mit den Terroristen in ein arabisches Land zu fliegen. Andre Spitzer, Trainer der israelischen Fechter, bestätigt das – gefesselt und während ihn ein Palästinenser mit der Kalaschnikow bedroht.
17.00 Uhr In Israel wird die Antiterror-Einheit Sajeret Matkal in Alarmbereitschaft versetzt. Einen Befehl, den Flug nach München vorzubereiten, gibt es nicht.
17.01 Uhr Genscher verlangt, sich mit eigenen Augen ein Eindruck von der Situation der Gefangenen machen zu können. Issa willigt ein, dem Innenminister und Tröger Zugang zu gewähren. Manfred Schreiber darf nicht mit hinein.
17.10 Uhr Genscher und Tröger verlassen das Haus wieder. Sie haben neun gefesselte Geisel und einen Toten gesehen, aber nur vier Terroristen. Sie gehen davon aus, daß es sich insgesamt um fünf Täter handelt.
17.20 Uhr Vizepräsident Wolf läßt durchsagen: "Aktion verzögert sich, wieder zurück in Ausgangssituation."
17.21 Uhr Der Sturm wird abgesagt. Ein Beamter notiert den Grund: "Terroristen verlangen, nach Ägypten ausgeflogen zu werden." Damit eröffnen sich neue Chancen für einen Zugriff, entweder auf dem Weg zum Flughafen oder dort.
17.22 Uhr Issa bestätigt Anneliese Graes, daß er das Ultimatum bis 19.00 Uhr verlängert habe.
17.22 Uhr Beim BGS werden Hubschrauber angefordert, um Mitglieder des Stabes nach Fürstenfeldbruck zu fliegen. Als Grund notiert der diensthabende Beamte: "Dort soll der polizeiliche Einsatz vorbereitet werden."
17.45 Uhr Manfred Schreiber erteilt Vizepräsident Wolf den Auftrag, die Befreiung der Geiseln in Fürstenfeldbruck vorzubereiten. Die Aktion soll ab 18.45 Uhr möglich sein.
17.47 Uhr Georg Wolf ordnet an, daß Präzisionsschützen nach Fürstenfeldbruck verlegt werden.
18.05 Uhr Weil es auf dem Militärflugplatz der Bundeswehr in Fürstenfeldbruck keine Flutlichtanlage für das Vorfeld gibt, werden beim Technischen Hilfswerk drei Beleuchtungswagen angefordert.
18.30 Uhr Willy Brandt versucht, Ägyptens Präsidenten Anwar al-Sadat zu erreichen. Doch der Staatschef läßt sich verleugnen.
18.36 Uhr Genscher und Merk verhandeln wieder. Es geht um den Weg vom olympischen Dorf zum Flughafen und um das Flugzeug.
18.47 Uhr Die Sonne geht unter, es beginnt zu dämmern.
19.30 Uhr Schreiber, Genscher und Merk fliegen zum Fliegerhorst und schauen sich an, was Vizepräsident Wolf plant.
20.20 Uhr Ein leitender Polizeibeamter verhandelt mit dem Bundesverkehrsministerium. Die Lufthansa soll sofort ein Düsenflugzeug mit mindestens 3000 Kilometern Reichweite bereitstellen. Das Ministerium sagt zu, schränkt aber ein, daß die Maschine frühestens um 21.00 Uhr eintreffen könne.
20.40 Uhr Nach längeren erfolglosen Versuchen bekommt Willy Brandt den Premierminister von Ägypten ans Telefon. Doch Aziz Sidky lehnt es kategorisch ab, ein Flugzeug mit Terroristen in Kairo landen zu lassen: "Wir haben nichts mit der Angelegenheit zu tun, wir möchten nicht in sie verwickelt werden."
20.53 Uhr Zusammen mit Schreiber und Genscher geht Issa den Weg auf der Straßenebene unter dem Haus Connollystraße 31 zum Landeplatz der Hubschrauber. Es sind nur 400 Meter, die einem Parkhaus ähneln. Issa wird nervös, woraufhin Schreiber ruft, daß es sich um einen Probegang handelt. Der Terrorist bricht den Probegang wütend ab.
21.35 Uhr Der Anführer der Terroristen fordert einen Bus. Zunächst wird ein kleiner Bus für maximal 20 Passagiere geschickt.
21.36 Uhr Ein Boeing 727 der Lufthansa mit vier Mann Besatzung landet auf dem Militärflugplatz Fürstenfeldbruck. Die Maschine hat einen Linienflug von London nach München-Riem absolviert. Im Anschluß sind die Piloten die rund 40 Kilometer nach Fürstenfeldbruck geflogen. In den Tanks sind noch ca. acht Tonnen Kerosin.
21.52 Uhr Die Terroristen sind mit ihren aneinandergefesselten Geiseln die Treppe zur Straßenebene heruntergekommen. Der angeforderte Bus fährt vor. Issa besteigt ihn, findet ihn zu klein und schickt den Fahrer weg. Er verlangt, daß in fünf Minuten ein größerer Bus kommen solle.
22.02 Uhr Der größere Bus kommt und Issa ist zufrieden. Die Terroristen zwingen ihre Geiseln, in den Bus zu steigen. Zum ersten Mal können Beobachter der Münchner Polizei zählen, um wie viele Personen es sich tatsächlich handelt: acht Terroristen und neun Geiseln. Niemand denkt daran, diese Information nach Fürstenfeldbruck durchzugeben.
22.12 Uhr Issa und Tony inspizieren auf dem Parkplatz des olympischen Dorfes die beiden Hubschrauber. Sie beschweren sich, daß jede Maschine zwei Mann Besatzung hat, sie haben verlangt, daß nur ein Pilot an Bord sein dürfe. Erst als die Besatzungen erklären, daß zum Fliegen des Helikopters zwei Mann erforderlich seien, willigt Issa ein.
22.20 Uhr Ein zwölf Mann starkes Kommando aus erfahrenen Zivilpolizisten besteigt die Boeing 727 in Fürstenfeldbruck. Vier von ihnen tragen Uniformjacken der Lufthansa, die übrigen Overalls von Mechanikern. Allerdings kennt sich keiner der Beamten mit Flugzeugen aus, sie können weder die Flugzeugtüren bedienen noch den Eindruck vermitteln, den Start vorzubereiten. Ihr Englisch ist nicht gut genug, damit sie als Piloten durchgehen können. Außerdem erfahren sie erst jetzt, daß die Tanks der Maschine zu einem Drittel gefüllt sind.
22.22 Uhr Die beiden Hubschrauber mit den acht Terroristen und neun Geiseln starten. Bewußt langsam fliegen die Piloten in einem großen Bogen Richtung Fürstenfeldbruck. Sie geben so einem dritten Hubschrauber die Möglichkeit, die Mitglieder des Krisenstabes auf schnellstem Weg zum Flugplatz zu bringen.
22.30 Uhr Das Polizeikommando in der Boeing 727 stimmt ab. Fast alle Beamten sind dafür, den Einsatz abzubrechen. Der Leiter gibt die Entscheidung per Funk an Georg Wolf durch, der die Einsatzleitung im Tower hat.

Fast zeitgleich landet der Hubschrauber mit dem Krisenstab, den Israelis Tzwi Zamir und Victor Cohen sowie Franz Josef Strauß auf dem Militärstützpunkt. Die Männer begeben sich sofort in den Tower.

Ablauf nach Landung in Fürstenfeldbruck

Lage in Fürstenfeldbruck
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Breitengrad: 48.201025 Längengrad: 11.278318
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Uhrzeit
22.33 Uhr Die beiden Hubschrauber mit Geiseln und Terroristen landen. Anders als versprochen, läßt Issa die Besatzung nicht frei. Sie müssen sich bewacht vor den Cockpits ihrer Maschinen aufstellen, als menschliche Schutzschilde. Issa und Tony gehen hinüber zur bereitstehenden Boeing.
22.37 Uhr Die beiden Terroristen stellen fest, daß die Lufthansa-Maschine leer ist, und erkennen, daß ihnen eine Falle gestellt wird. Nun besteht nur noch die Möglichkeit, möglichst schnell möglichst viele Terroristen gezielt auszuschalten. Der Polizeivizepräsident Georg Wolf geht davon aus, daß es sich um insgesamt fünf Terroristen handelt, außerdem um neun israelische und vier deutsche Geiseln.
22.38 Uhr Georg Wolf erteilt den drei Scharfschützen auf dem Dach des Flughafengebäudes den Befehl "Feuer frei". Da die beiden anderen Scharfschützen auf der gegenüberliegenden Seite nicht in Funkkontakt stehen, sollen sie schießen, sobald ihre Kollegen feuern. Jedoch wechselt gerade in diesem Moment ein Schütze die Position, um ein besseres Schußfeld zu haben – die Hubschrauber sind weiter westlich als geplant gelandet. Die beiden anderen Schützen feuern und treffen. Tony bricht schwer verletzt zusammen, Issa kann sich in den Schutz des östlichen Helikopters retten. Fünf Terroristen beginnen, aus ihren Kalaschnikows Feuerstöße auf den Tower abzugeben.
22.40 Uhr Issa und mindestens ein weiterer Terrorist werden von den Scharfschützen am Tower getötet. Die vier Besatzungsmitglieder der Hubschrauber liegen auf dem Boden und verhalten sich möglichst ruhig. Der Polizist Anton Fliegenbauer erleidet einen Kopfschuß. In den kommenden 80 Minuten kommt es mehrfach zu Schußwechseln. Insgesamt verfeuern die Palästinenser rund 200 Schuß, die beteiligten Polizisten 61 Schuß, davon die Scharfschützen 25 Kugeln. Acht Geschosse treffen Terroristen.

Das Bayerische Innenministerium erfährt per Telefon von der Schießerei in Fürstenfeldbruck. Die Funkanlage im Tower des Flughafens ist durch einen Querschläger beschädigt worden.

22.46 Uhr Angeblich sollen alle Täter tot oder verletzt unter den Hubschraubern liegen. Das Schicksal der Geiseln sei unbekannt. In Wirklichkeit sind nur drei Terroristen tot.
22.51 Uhr Der Sprecher des Organisationskomitees, Hans Klein, gibt bekannt, daß in Fürstenfeldbruck geschossen wird.
22.52 Uhr Alle Panzerwagen werden erst jetzt nach Fürstenfeldbruck in Marsch gesetzt.
22.53 Uhr Die Schießerei flammt wieder auf.
22.57 Uhr Per Megafon werden die Terroristen in englischer und arabischer Sprache aufgefordert, sich zu ergeben.
23.00 Uhr Da nicht mehr geschossen wird, kommt unter den Schaulustigen vor dem Zaun des Flughafens das Gerücht auf, die Aktion sei beendet. Die Fehlinformation verbreitet sich rasch bis in den Olympia-Park.
23.23 Uhr Bei den Hubschraubern wird wieder geschossen. Die Polizisten nehmen mehrere Feuerstöße aus Kalaschnikows wahr.
23.30 Uhr IOC-Präsident Avery Brundage gratuliert Regierungssprecher Conrad Ahlers zur Befreiung der Geiseln. Entsprechend äußert sich Ahlers gegenüber Journalisten, die darin eine offizielle Bestätigung sehen.
23.31 Uhr Mehrere Nachrichtenagenturen berichten in Eilmeldungen, alle Geiseln seien befreit worden. Zahlreiche Zeitungen, die unmittelbar vor Redaktionsschluß stehen, heben das Gerücht als Tatsache auf ihre Titelseiten.
23.45 Uhr Die Panzerwagen melden, daß sie auf der Bundesstraße 471 feststecken. Ein Verkehrsstau, verursacht durch viele Presseleute, Taxis und Neugierige, macht die Anfahrt über die Straße teilweise unmöglich. Die Fahrer weichen auf Felder aus, kommen aber nur langsam voran.
23.50 Uhr Manfred Schreiber weist darauf hin, daß der Einsatz noch in vollem Gange sei.
23.52 Uhr Hans Klein warnt die mehreren hundert anwesenden Journalisten, Berichte über einen Erfolg in Fürstenfeldbruck zu glauben.
23.55 Uhr Die Panzerwagen treffen ein. Sie bekommen den Auftrag, Verletzte zu bergen und Terroristen, die Widerstand leisten, auszuschalten. Die Fahrzeuge werden beschossen, eine Handgranate explodiert.
00.00 Uhr In mehreren TV-Interviews "bestätigt" Ahlers den Erfolg der Befreiungsaktion. Er hat von der Warnung des Krisenstabes nichts mitbekommen.
00.06 Uhr Der erste Panzerwagen fährt auf das Flugfeld, um die Hubschrauberpiloten zu bergen. Das Fahrzeug wird beschossen, der rechte Hinterreifen platzt, der Motor qualmt. An Bord ist Polizeivizepräsident Wolf.
00.20 Uhr Wieder schießen mindestens zwei Terroristen. Dann wirft ein Palästinenser eine Handgranate in einen der beiden Hubschrauber, der explodiert.
00.21 Uhr Rund ein Dutzend Feuerwehrleute der Flughafenfeuerwehr Fürstenfeldbruck springen auf ihre Fahrzeuge. Sie wollen versuchen, den brennenden Hubschrauber zu löschen, doch sie werden beschossen.
00.25 Uhr Ein Scharfschütze hat einen Terroristen getroffen, der zu flüchten versuchte. Ein weiterer Terrorist zieht eine Handgranate ab, wird aber im selben Moment getroffen. Die Granate detoniert in den Händen. Die Schießerei ist zu Ende.
00.30 Uhr Vorsichtig nähern sich Polizisten den beiden Hubschraubern. Drei Terroristen werden festgenommen.
00.58 Uhr Bundeskanzler Brandt will Israels Premierministerin informieren und verlangt dafür vom Krisenstab einen aktuellen Lagebericht. Dazu ist der Krisenstab nicht in der Lage.
01.45 Uhr Der Stützpunkt in Fürstenfeldbruck fordert Leichenwagen für 12 bis 14 Tote an. Ein Polizist und fünf Terroristen sind gestorben. Alle Geiseln sind tot. Acht starben durch Kugeln aus den Gewehren der Terroristen, eine Geisel starb beim Brand des explodierten Hubschraubers.
02.00 Uhr Nach Rücksprache mit den Verantwortlichen in Fürstenfeldbruck bestätigt der Krisenstab, daß sämtliche Geiseln tot sind und drei der acht Terroristen festgenommen werden konnten.
02.30 Uhr Hans Klein, der Sprecher des Organisationskomitees informiert die Weltpresse über den katastrophalen Ausgang des Geiseldramas.

heute

In der Connollystraße 31 hat heute die Max-Planck-Gesellschaft ihr Gästehaus. Eine graue Steintafel mit deutscher und hebräischer Inschrift verrät, was hier geschah: "In diesem Gebäude wohnte während der 20. Olympischen Sommerspiele die Mannschaft des Staates Israel vom 21.8. bis zum 5.9.1972. Am 5. September starben eines gewaltsamen Todes: David Berger, Seew Friedman, Josef Gutfreund, Elieser Halfin, Josef Romano, Amizur Shapira, Kehat Shorr, Mark Slavin, Andre Spitzer, Jaakow Springer, Mosche Weinberger. Ehre Ihrem Andenken."

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