Geiselnahme von München: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 24. März 2016, 12:57 Uhr

Ort
1972 in München
Opfer
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Lage
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Mitglieder der palästinischen Terrororganisation "Schwarzer September" drangen am frühen Morgen des 05.09.1972 in das Quartier der israelischen Sportler im olympischen Dorf München ein (Anschrift: Connollystraße 31). Zwei Israelis wurden sofort erschossen, weitere neun wurden als Geiseln genommen. Dadurch sollten 232 palästinische Gefangene in Israel freigepresst werden.

Die Polizei war mit der Geiselnahme überfordert und schlecht auf eine solche Situation vorbereitet. Anti-Terroreinheiten gab es damals noch nicht. Streifenpolizisten in Trainingskleidung turnten auf den Dächern des olympischen Dorfes herum und bereiteten sich auf eine Stürmung vor. Das pikante Detail dabei: Diese Vorbereitungen wurden von den Medien verfolgt und übertragen, so daß die Fernsehzuschauer das Geschehen im Fernsehen live verfolgen konnten – dazu gehörten auch die Terroristen.

Die New York Times berichtete Jahre später darüber, daß die Terroristen einen der Sportler, der am Anfang der Geiselnahme angeschossen wurde und dann stundenlang qualvoll ausblutete, die Genitalien abschnitten und ihn mißbrauchten, während die anderen Geiseln offenbar zusehen mußten. Auch die anderen israelischen Sportler sollen offenbar vor ihrem Tod schwer mißhandelt worden sein, denn sie wiesen Knochenbrüche und andere Spuren von Gewalteinwirkung auf.

Ablauf der Vorbereitungen

Uhrzeit
02.00 Uhr Im "Hotel Eden" am Münchner Hauptbahnhof treffen sich neun Palästinenser. Sechs von ihnen waren in den vorangegangenen Tagen aus Syrien und dem Libanon nach München eingereist. Zwei weitere, die sich "Issa" und "Tony" nennen, sind bereits seit Wochen in München. Die acht tragen Trainingsanzüge. Der neunte Mann ist älter und trägt zivil, er ist der Kontaktmann zur Terrororganisation "Schwarzer September".
02.30 Uhr Im "Hotel Eden" gibt Issa an Tony und die sechs Männer Waffen aus. Jeder bekommt eine Kalaschnikow mit zwei Magazinen und eine Handgranate. Sie umwickeln die Maschinenpistolen mit Kleidungsstücken und legen sie in Sporttaschen. Ihre gefälschten Pässe übergeben sie Abu Daoud, der sie vernichtet und untertaucht.
03.15 Uhr Am Hauptbahnhof nimmt die erste Gruppe von drei Palästinensern ein Taxi. Die übrigen fünf Männer folgen mit weiteren Taxis.

Ablauf im olympischen Dorf

Uhrzeit
02.15 Uhr Die Nachtschicht des Ordnungsdienstes vermerkt im Diensttagebuch: "Keine besonderen Vorkommnisse"
04.20 Uhr Ungehindert können acht Terroristen den zwei Meter hohen Zaun am Westrand des olympischen Dorfes (Tor 25a) überklettern. Sie tragen Trainingsanzüge, jeder hat eine Sporttasche bei sich. Darin befinden sich Kalaschnikows, Handgranaten, zivile Kleidung und Geld. Einigen Beamten des Olympia-Postamtes, die auf dem Weg zur Frühschicht sind, fällt das auf. Sie denken sich jedoch nichts dabei.
04.30 Uhr Vom Revier des Ordnerdienstes beginnt Kriminalobermeisterin Gertrud L. eine Fußstreife durch das olympische Dorf. Die 36jährige Beamtin, abgeordnet zum zivilen Ordnerdienst der Olympischen Spiele, ist seit 23 Uhr im Dienst.
04.40 Uhr Im Treppenhaus des Hauses Connollystraße 31 haben die Terroristen ihre Trainingsanzüge gegen zivile Kleidung ausgetauscht und ihre Waffen geladen. Issa und ein weiterer Terrorist gehen zunächst in den zweiten Stock. Doch dort schlafen Sportler aus Hongkong und Korea. Issa fürchtet, die israelische Mannschaft könnte kurzfristig verlegt worden sein, und steht kurz davor, den Überfall abzublasen. Erst beim Weg zurück auf die Straße unter der Fußgänger-Ebene fallen ihm jüdisch klingende Namen an einer Wohnung auf. Die Tür ist nur mit dem Schnapper gesichert, aber nicht abgeschlossen.
04.45 Uhr Das palästinensische Kommando stürmt das Quartier der israelischen Mannschaft in der Connollystraße 31. Der 30jährige Trainer der israelischen Gewichtheber, Tuvia Sokolsky, schreckt auf. Durch die halb offene Tür seines Zimmers sieht er, daß sich sein Kollege Joseph Gutfreund gegen die Wohnungstür stemmt. Sokolsky greift sich eine Hose, reißt die Terrassentür auf und rennt aus dem Haus. Hinter sich hört er eine Salve aus einer Maschinenpistole. Issa schießt durch den Türspalt ins israelische Quartier. In der anschließenden Schrecksekunde können zwei weitere Palästinenser die Tür aufdrücken. Einer schießt den Ringer-Trainer Moshe Weinberg nieder, die übrigen Israelis geben ihren Widerstand auf. Insgesamt können zwei Sportler flüchten und zwei werden erschossen. Nach wenigen Minuten haben die Terroristen neun Geiseln in ihrer Gewalt.
04.48 Uhr Auf der Connollystraße wartet seit 20 Minuten Raoul L. vor dem Quartier der Bahamas. Der Wehrpflichtige ist als Mannschaftsfahrer eingeteilt und soll mehrere Sportler zum Flughafen bringen. Plötzlich läuft ihm ein verängstigter Mann in die Arme, der in gebrochenem Deutsch stammelt: "Schießen, schießen, mein Freund tot! Polizei rufen!"
04.52 Uhr In der Connollystraße 31 führen die drei Geiseln aus der zuerst gestürmten Wohnung die Terroristen durch das Treppenhaus zum Quartier der israelischen Kraftsportler. Die Palästinenser öffnen die Tür und bedrohen die Sportler, doch der Gewichtheber Joseph Romano wehrt sich. Wieder schießt ein Terrorist und trifft Romano.

Raoul L. gelingt es im Quartier der koreanischen Mannschaft einen Betreuer aus dem Schlaf zu klingeln, der ihn mit der Polizei telefonieren läßt. Der junge Bundeswehrsoldat meldet den Überfall. Als wieder Schüsse knallen, schließt sich Tuvia Sokolsky aus Angst in der Toilette ein.

04.56 Uhr Der 28jährige israelische Ringer Gad Tsobari wird von den Terroristen zusammen mit anderen Geiseln das Treppenhaus hinuntergeführt. Er kann sich losreißen und flüchten.
05.03 Uhr Ein Kriminalobermeister nähert sich mit gezogener Pistole der Haustür des israelischen Quartiers. Als er den Kopf in den Flur hineinsteckt, schreit ihn ein mit einer Maschinenpistole bewaffneter Terrorist an: "Weg da!"
05.06 Uhr Vom Polizeipräsidium aus werden alle verfügbaren Funkstreifen zum olympischen Dorf geschickt.
05.08 Uhr Vor dem Haus Connollystraße 31 hört Gertrud L. eine weitere Salve aus einer Maschinenpistole.
05.12 Uhr Der diensthabende Beamte in der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums gibt die Anweisung, Polizeipräsident Manfred Schreiber und seinen Vize Georg Wolf zu alarmieren. Schreiber geht ans Telefon, Wolf ist nicht zu erreichen.
05.22 Uhr Vor der Connollystraße 31 übergibt Issa, der einen beigen Anzug und einen Stoffhut trägt, Gertrud L. vier mit Schreibmaschine beschriebene Seiten. Die Polizistin ist die einzige, die sich dem Eingang des Hauses nähern darf. Sie unterhält sich auf deutsch mit Issa.
05.25 Uhr Per Funk wird der Inhalt des vierseitigen Communiqués durchgegeben: Bis 09.00 Uhr sollen mehr als 200 Personen aus israelischer Haft freigelassen werden, die auf einer Liste stehen. Darauf finden sich auch die Namen weiterer Terroristen, darunter Andreas Baader und Ulrike Meinhof.
05.29 Uhr Issa teilt Gertrud L. mit, man brauche einen Notarzt. Man werde einen Verletzten vor die Tür bringen.
05.35 Uhr Der Notarzt kann nur noch den Tod von Moshe Weinberg feststellen. Zwei Polizisten bergen den Leichnam.

Zur gleichen Zeit informiert der Schichtleiter der Olympia-Wache das bayerische Innenministerium über die Ereignisse im olympischen Dorf. Minister Bruno Merk (CSU) soll so schnell wie möglich unterrichtet werden.

05.40 Uhr Vorsichtshalber ordnet der diensthabende Schichtleiter an, Gewehre für Scharfschützen zu beschaffen. Die Münchner Polizei verfügt über Sturmgewehre des Typs G3 mit Zielfernrohren. Zur gleichen Zeit trifft Manfred Schreiber im olympischen Dorf ein.
05.45 Uhr Ein Beamter der Olympia-Wache vermerkt im Diensttagebuch, daß Walther Tröger informiert worden sei. Als Bürgermeister des olympischen Dorfes ist er für alle Belange im Quartier der 12.000 Olympia-Teilnehmer zuständig.
05.57 Uhr Polizeipräsident Manfred Schreiber hat einen Krisenstab in der Olympia-Wache gebildet. Zuerst wird die Lage festgehalten: "Nach gegenwärtigem Stand hält ein Palästinenserkommando mindestens 26 israelische Sportler in seiner Gewalt und fordert die Freilassung von 200 Personen auf einer Liste bis 12 Uhr". Die Verlängerung des Ultimatums haben die Terroristen von vornherein beabsichtigt: Sie haben eine zweite Fassung ihres Communiqués dabei, in der statt von 09.00 Uhr von 12.00 Uhr als Frist die Rede ist.
06.00 Uhr Vor dem Haus Connollystraße 31 kommen Issa und Gertrud L. ins Gespräch. Die Polizistin fragt den Anführer der Terroristen, warum er die israelischen Sportler angreife. Issa antwortet sinngemäß: "Revolution muß dort gemacht werden, wo sie nötig ist!"

Zur gleichen Zeit informiert ein Bewohner des Hauses Connollystraße 24, das genau gegenüber des Tatortes liegt und in dem sich die DDR-Mannschaftswohnungen befinden, drei DDR-Sportjournalisten, daß "bewaffnete Kräfte nachts in das olympische Dorf eingedrungen sind und das Haus der israelischen Mannschaft besetzt haben. Es gab Schießereien, und es soll Tote gegeben haben."

06.10 Uhr In Bonn verlangt der Lagedienst des Bundesinnenministeriums einen Bericht.
06.25 Uhr Das Bundesinnenministerium informiert den Sicherheitsbeauftragten der israelischen Botschaft.
06.26 Uhr Bruno Merk kommt im olympischen Dorf an und übernimmt die Leitung des Einsatzes.
06.30 Uhr Drei als gute Schützen bekannte Beamte der Münchner Stadtpolizei bekommen im Polizeipräsidium den Befehl, ins olympische Dorf zu fahren.

Im olympischen Dorf kommen die drei DDR-Sportjournalisten Martin Kramer, Dieter Wales und Wolfgang Gitter an. Alles macht einen ruhigen Eindruck, besondere Absperrungen sind nicht erkennbar. Sie halten ihre Erlebnisse minutiös in einem Bericht fest, der an die Stasi geht.

06.37 Uhr Ein Nachrichtenredakteur des Bayerischen Rundfunks fragt bei der Olympia-Wache an, was im olympischen Dorf passiert sei. Nach Rücksprache teilt der diensthabende Beamte mit, der Polizeipräsident habe eine Nachrichtensperre verhängt.
06.46 Uhr Willy Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, trifft ein.
06.58 Uhr Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, der in München übernachtet hatte, trifft am Tor 10 des olympischen Dorfes ein.
16.45 Uhr Nach zwölfstündigen Verhandlungen bereitet die Münchner Polizei den Sturm auf das besetzte Haus vor. Doch mehrere verschiedene Fernsehteams übertragen die Annäherung des improvisierten Sturmtrupps auf ihr Ziel und senden die Bilder weltweit.
21.15 Uhr Ein Terrorist besichtigt in Begleitung des Krisenstabes den Weg zum Hubschrauberlandeplatz. Alle 17 Geiseln und Terroristen sollen nach Fürstenfeldbruck fliegen, wo eine Lufthansa-Maschine bereit steht. Der Terrorist verlangt einen Bus für den kurzen Weg.
22.04 Uhr Die Terroristen und ihre Geiseln besteigen den zweiten bereitgestellten Bus auf der Fahrebene des olympischen Dorfes. Bevor sie in die Hubschrauber steigen, überprüfen die Terroristen beide Maschinen auf eventuelle Hinterhalte. Um 22.20 Uhr heben sie in Richtung Fürstenfeldbruck ab.

Ablauf in Fürstenfeldbruck

Lage in Fürstenfeldbruck
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Breitengrad: 48.201025 Längengrad: 11.278318
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Uhrzeit
22.33 Uhr Die beiden Grenzschutz-Hubschrauber mit den acht Terroristen, neun Geiseln und vier Mann Besatzung landen in Fürstenfeldbruck. Hier liegen fünf Scharfschützen der Polizei in Stellung. Die Helikopter landen aber zu weit westlich, so daß sie genau zwischen den Schützen stehen.
22.35 Uhr Die beiden Anführer der Terroristen inspizieren die bereitstehende Lufthansa-Boeing. An Bord ist jedoch anders als gefordert keine Besatzung. Erbost kommen die Terroristen wieder aus der Boeing 727 heraus und laufen zurück zu den Hubschraubern.
22.38 Uhr Als die beiden Terroristen etwa die Hälfte des Rückweges hinter sich haben, eröffnen zwei Scharfschützen das Feuer. Ein Terrorist wird sofort niedergeschossen, der andere flüchtet zu den Hubschraubern. In den folgenden 80 Minuten kommt es immer wieder zu kurzen Schußwechseln.
00.20 Uhr Als sich der erste Panzerwagen den Hubschraubern nähert, wirft ein Terrorist eine Handgranate in einen der Hubschrauber, der in einem Feuerball aufgeht. Ein anderer Terrorist schießt in den zweiten Hubschrauber hinein. Alle Geiseln werden getötet, außerdem fünf der Palästinenser.
01.20 Uhr Drei Terroristen sind festgenommen worden, einer hat versucht, sich tot zu stellen und so der Festnahme zu entgehen. Die Polizei fordert Leichenwagen für zwölf bis 14 Opfer an. In Wirklichkeit gibt es sogar 15 Tote: neun Geiseln, fünf Terroristen und einen bayerischen Polizisten.

heute

In der Connollystraße 31 hat heute die Max-Planck-Gesellschaft ihr Gästehaus. Eine graue Steintafel mit deutscher und hebräischer Inschrift verrät, was hier geschah: "In diesem Gebäude wohnte während der 20. Olympischen Sommerspiele die Mannschaft des Staates Israel vom 21.8. bis zum 5.9.1972. Am 5. September starben eines gewaltsamen Todes: David Berger, Seew Friedman, Josef Gutfreund, Elieser Halfin, Josef Romano, Amizur Shapira, Kehat Shorr, Mark Slavin, Andre Spitzer, Jaakow Springer, Mosche Weinberger. Ehre Ihrem Andenken."

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